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Euer Input

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Wir sind begeistert! Viele Zuschriften haben uns in den letzten Wochen erreicht. Ihr schreibt uns von Eurer Begeisterung oder Enttäuschung über Leipzig, von Vorzügen und Problemen in der Stadt. Einige Zuschriften haben uns so gut gefallen, dass wir sie hier für alle lesbar veröffentlichen wollen. Anni Froh macht den Anfang mit ihrem „verklärten Blick” auf Leipzig.

12. Mai 2014 von Carolyn Wißing

Verklärter Blick

Vor eineinhalb Jahren bin ich nach Leipzig gekommen. Ganz, ganz kurz bevor alle kamen. Aber auch ich bin eine von allen. „Leipzig, wieso denn das?” Ich habe aufgehört die Vorzüge Leipzigs Bekannten und Freunden von außerhalb aufzuzählen. Wozu auch? Meinem Onkel zu erklären, dass das „Waldviertel” Waldstraßenviertel heißt und in meinen Augen nicht das Schönste der Stadt ist – vergebene Mühe. Dass Brachflächen und Abbruchhäuser Freiheiten bieten, dass Kultur nichts ist, was nur andere machen, erlebt man in Leipzig. Aber wie soll man denn jemandem beschreiben, wie Bärlauch duftet, vermischt mit Stadtluft und feuchter Walderde? Es ist ein Gefühl.

Ich komme aus Köln, das ist auch „e Jeföhl”. Bevor ich nach Leipzig gekommen bin, habe ich in Würzburg studiert. Würzburger Stadtslogan: „Provinz mit Weltniveau”. Meine drei Wörter für Unterfrankens Hauptstadt: gradlinig, konservativ, naja okay, der Sommer am Main ist toll, also Wort Nummer drei: friedlich. Für Leipzig habe ich keine drei Worte, auch nicht hundert, sondern keine.

Dennoch versuche ich mal in Worte zu fassen, was mich fasziniert: Stadt und Verwaltung nehmen sich zurück. Die Polizei tritt selten auf (obwohl es häufiger wird) – man fühlt sich frei. Es läuft ein bisschen wie im Internet: selbstverwaltet. Wird schon irgendwie. Wurde immer. Wer eingreift, stört das Gleichgewicht. Es stimmt, es kommen immer mehr Menschen, aber auch nicht alle. Es kommen noch immer diejenigen, die Lust haben auf Mitmachen und nicht nur auf Galeriebesuche, Kunstkäufe und Immobilieninvestitionen. Wenn das Gleichgewicht kippt, dann kippt’s.

Wir, das sind die Kinder von Eltern, die nicht wenig gearbeitet haben. Luxus. Wir haben jetzt die Freiheiten zu studieren bis wir 30 sind. Wir sind überall zu Hause und nirgends. Wir, die mit dem Internet vernetzt leben und wir, die wir für Entfernungen ein ganz anderes Verständnis haben, als noch unsere Eltern. Das ist unsere (glückliche) Situation. In Leipzig haben wir ein Zuhause gefunden, das so ist wie wir: Vielseitig, wandelbar, flexibel (also doch drei Wörter.) Und konträr zum unfassbaren Internet bietet uns die Stadt einen überschaubaren Raum, in dem wir uns bewegen und begegnen und verwirklichen können.

Beobachten wir, was passiert. Lasst uns weiter aufmerksam sein, mitgestalten, mitmischen. Wie eine sanft waltende Frau Mamá. Ich freue mich des Lebens und dass ich gerade zu dieser Zeit hier in Leipzig leben kann. Verwandten und außerhalb Leipzigs wohnenden Personen sage ich: „Danke, joa, Leipzig ist schön. Geht mir ganz gut da.” Wir wissen ja wie Bärlauch nach dem ersten Frühjahrsregen riecht.

Hast auch Du diesen „verklärten Blick” auf Leipzig? Geht es Dir anders, wenn Du Freunden und Bekannten von Leipzig berichtest? Möchtest auch Du mitteilen, was Dich an Leipzig begeistert oder auch besonders stört? Dann schreib uns! Wir geben Dir eine Plattform.

 
 

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